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Strategischer Dienst für Politische Analyse
 
 
Kommentar
zu den Präsidentschaftswahlen in der Russischen Föderation
 
Urheberrechtlich geschützt!
 
09.30 UTC/03/18/24
 
Zuverlässige Umfragen und Trends aus russischen Social Media präsentieren eine Mehrheit unter den Russen, für die PR Putin der Stabilitätsanker in unruhigem Fahrwasser darstellt. Das Wahlergebnis entspricht seiner demoskopischen Zustimmungsrate. Dabei ist das keine Wertschätzung seiner Person. Die äußere Konfrontation des mit ihm namentlich bezeichneten Systems erfolgt nicht ohne innenpolitische Konklusion. Viele Russen teilen den Krieg gegen die Ukraine als Stoppschild für eine NATO-umrahmte Expansion, die (propagandistisch) zum Zerfall Russlands und dazu führt, dass die Russen wieder einen Hungerwinter wie unter Yeltsin erleiden müssen.
 
Bilder vom Untergang der Sowjetunion (Chaos, Gewalt, Hunger, Coupon-Millionäre aber eine Armee der Ärmsten) überträgt Putin meisterhaft auf das heutige Russland, falls dort ein pro-westlicher Wechsel ansteht. Es war eine echte Leistung von ihm, dass er mit Hilfe der westlichen Gemeinschaft Öl und Gas bei einem Minimum an politischem Konsens verkaufen und Reserven in Höhe von weit über 500 Mrd. USD bilden konnte. Der Westen tat das nicht uneigennützig: Russland konnte unter Putin damit die Schulden der Sowjetunion als ihr Rechtsnachfolger pünktlich tilgen. Ebenso bleibt es seine Leistung, dass er mit einem Teil der Reserven neue bildete.  

- Wie weit kommt Russland ohne die Europäer?

Aber wie weit kommt Russland ohne die europäischen Partner, fragen viele Russen. Inoffizielle Befragungen ergaben Zweifel an der Richtigkeit der russischen Führung, sich vom alten Europa mit einem militärischen Paukenschlag abzuwenden und ein multipolares Konstrukt aufzubauen, an dem unsichere Kantonisten mit einer fragilen inneren Stabilität teilnehmen. Noch mehr Ratlosigkeit, ob der Präsident das Richtige tut, kommt hinzu. Sein Kriegskurs seit 2014 führte zur Anschlussunfähigkeit der russischen Ökonomie an die europäischen Volkswirtschaften. Einschließlich der Fragen Buchhaltung und Vertragsführung nach europäischen Standards. Hier sind nach 2022 Lücken im Management entstanden, die sich so schnell nicht beseitigen lassen. Die UKR-Invasion war sein Befreiungsschlag von westlichen Sanktionen, die – entgegen offizieller Behauptung – Russland während der Pandemie schwer zu schaffen gemacht haben. Die von Putin erwünschte Krim-Garantie von einer früheren Bundeskanzlerin und Präsident Macron sollte nach seinen Berechnungen zur Einstellung der Sanktionen führen.
 
- Putin hat erstmals Konkurrenz im eigenen Haus
 
 
Die Zustimmung zur militärischen Sonderoperation bleibt mehr als verhalten. Immer dann, wenn Putin verschwommen Friedensgespräche andeutete, ging seine Popularitätskurve kurzzeitig nach oben. Erstmals hat Putin nach seiner Sonderoperation innenpolitisch Konkurrenz bekommen. Premier Mishustin, wahrgenommen als a-politischer Technokrat, ist ihm mit über 72 Prozent an Zustimmung bemerkenswert dicht auf den Fersen.
 
 
 
Am schwachen Medvedev (Stellv. Vorsitzender des SR, vergleichbar mit dem Posten des früheren Vizepräsidenten Ruzkoi) richtet sich Putin wie an einer alkoholischen Krücke auf. Zukunftsaussichten bescheinigt man Dmitri Patrushev, dem Sohn des Nikolai Patrushev. Nikolai kennt die Achillesverse seines früheren KGB-Kollegen Putin (hierzu auch: Strategischer Dienst, Nr. 224/1999 - Gespräch mit dem Schweizer General Ernst Mühlemann, Vizepräsident des Europarats, Strasbourg, September 1999).
 
Dmitri Patrushev hat die FSB-Hochschule, die Diplomatenakademie und die Ökonomische Universität absolviert. Als gegenwärtiger Landwirtschaftsminister rangiert er in der Kaderreserve der Kreml-Administration mit an erster Stelle. Die von Medvedev geführte Machtpartei Einiges Russland ist nach Umfragen dagegen auf dem Sinkflug.
 
- Wird der Vater an die Front eingezogen?
 
Die Zukunftsaussichten vieler russischer Familien tendieren zum Überleben. Quasi in letzter Minute verteilte Putin zu den Wahlen Geschenke an Familien, Studenten, Veteranen in Milliardenhöhe. Geblieben ist die Angst, dass Familienväter bei der nächsten Mobilisierung an die Front eingezogen werden. Von einer Sommeroffensive gehen die meisten aus.
 
Auf die stille Opposition im Moskauer Machtzentrum kommt es an…

Im Führungszentrum wächst die Missgunst. Verantwortliche auf Spitzenebene müssen permanent hinter den Profilierungen Putins zurücktreten, obwohl sie ihm intellektuell, rhetorisch und mental überlegen sind. Einige müssen sich öffentlich abbügeln lassen, damit Putin im Licht eines Routiniers politischer Großmeisterei erscheint. Er unterscheidet sich darin nicht wesentlich vom ostdeutschen Stasi-Chef Mielke, bei dem Generale der Spitzenebene zur Strafe kleinlaut Gedichte vortragen mussten, oder die er über die Konferenz-Leitung seines Ministeriums nach außerehelichem Fremdgehen bloßstellte und ermahnte. Putin zeigt in seiner Entwicklungsphase gegenwärtig ähnliche Marotten. Lange geht das nicht gut. Er kalkuliert nicht ein, dass, je länger der Krieg dauert, umso verwundbarer seine autokratischen Brüder im Postsowjetraum werden.

Der Kreml achtet penibel darauf, wer und auf welche Weise medial Aufmerksamkeit erlangt. Hier existiert eine rote Linie, damit das Machtzentrum für die (internationale) Öffentlichkeit möglichst intransparent bleibt. Peskovs Team sorgt entweder für Publicity oder Ausgrenzung der Kandidaten. Vor allem aber muss der „Chef“ das letzte Wort behalten. In Peskov, einem früheren KGB-Elitekader an der UdSSR-Botschaft in der Türkei, verheiratet in erster Ehe mit der steinreichen Enkelin von Reitergeneral Budjonny, hat er einen eloquenten Krisenmanager gefunden. Putin erscheint ohne Peskov schon undenkbar zu sein. Dadurch, dass sich Putin aus der deutschen Presse informiert, assoziiert er den Westen mit vielen Fragen, die in Berlin vor sich gehen. Wie sich die Bundesregierung aufführt, dürfte ihm gefallen und nach KGB-Lehrbuch verlaufen.
 
- Rettungsschirm der Siloviki: Wie lange noch schlägt die Kremlevskie Kuranty nach ihrem Takt?

In der kommenden Legislatur (2024-2030) müssen elitäre Familien der Alt-Siloviki die Grundlagen für die spätere Zukunft ihrer Kinder und Enkel nach der Ära Putin legen. Leute wie Sergei Ivanov, Alexander Bortnikov oder Mikhail Fradkov spannen beizeiten den Rettungsschirm auf. Bisher ging es noch nie reibungslos ab, wenn sich eine elitäre Schicht besitzergreifend regeneriert. Die Siloviki kennen das aus ihrer eigenen Vita: Ob Putin, Patrushev, Ivanov oder Chemezov - sie mussten hinter den Familienangehörigen der UdSSR-Nomenklatura bei der Verteilung lukrativer Ämter zurücktreten. Wie lange schlagen die Kreml-Uhren* noch im Stundentakt der Siloviki, die Putin vor 24 Jahren als „Kollektiv der Tschekisten“ im russischen Entscheidungszentrum implantieren musste?
 
(*Während der Sowjetzeit waren bei der Aufführung des Dramas „Die Turmuhren des Kreml“ die Plätze in den Theatern vorwiegend von der Intelligenzija besetzt. Hauptfiguren der Geschichte von Nikolaj Pogodin sind Lenin persönlich und ein alter Ingenieur, einer der bedeutendsten Vertreter seines Fachs, der den Bolschewismus haßt und sein Leben mit dem Verkauf von Streichhölzern fristet. Da Lenin entschlossen ist, die vorrevolutionären Fachleute zur Arbeit heranzuziehen, lässt er den Alten in den Kreml holen. Als er erfährt, womit dieser sein Dasein fristet, ruft Lenin aus: „In unserer Zeit mit Zündhölzern handeln! Für solche Geschichten müsste man Sie ohne weiteres erschießen!“ – Das soll ein Scherz sein, aber aus dem Munde Lenins klingt es recht makaber, umso mehr, als neben Stalin auch der Chef der Tscheka, Felix Dscherschinskij, anwesend ist. Stalin erklärt, worum es geht: Rußland soll elektrifiziert werden. Der Alte ist von dieser Idee so fasziniert, dass er seine politischen Gefühle vergisst und in den Dienst des bolschewistischen Staates tritt. Lenin schließt die Szene mit den Worten: „Könnte man nur rascher solche Bären aufrütteln; zu Hunderten haben sie sich versteckt.“ - Fünf Dramen sowjetischer Dichter, Berlin 1947)
 
- Explosivmischung aus Nachrichtendienst und Armee führt zur Wiederauflage der stalinistischen Sowjet-Ära

Infolge der UKR-Invasion (2022) kommt es (2024-2030) zu einer einzigartigen Vermischung zwischen Nachrichtendienst und Armee. Das macht sich vorbotenähnlich fest am Verhältnis der Beauftragten des Präsidenten in den Föderalen Bezirken, den Gouverneuren und den Chefs der Militärbezirke.

Nach der Präsidentschaftswahl in den besetzten Gebieten ist Putin nunmehr das illegitime Staatsoberhaupt der Ostukraine von Donezk bis zur Krim. Die wirtschaftliche Perspektive der seit 2022 annektierten Gebiete verbindet er mit Kohle/Stahl, früher im Besitz eines ukrainischen Oligrachen.
 
Langfristige Planungen bis über 2030 hinaus setzen Experten – noch jedenfalls - mit dem persönlichen Wunsch Putins nach einer weiteren Legislatur gleich.

(hierzu auch: Perfektionierung nachrichtendienstlicher Systeme vor den Wahlen, Strategischer Dienst Nr. 19/2007, 29.01.2007)
 
© Strategischer Dienst für Politische Analyse, 2024
 

 
Excerpt aus nicht-klassifizierten NATO-Reports - AUSZUG
 
 
 
07:05 UTC/03/06/2024

Excerpt from non-classified NATO reports (internal)

(February 2024) - In addition to leading its invasion of the UKR, Russia is focusing on its military strength. To deter NATO, the Russian leadership has embarked on the biggest military reform since 2008 to rebuild its conventional forces. One reason for this lies in the conventional warfare with NATO after the admission of Finland and Sweden.
 
(Februar 2024) - Neben der Führung seiner Invasion in der UKR konzentriert sich Russland auf seine militärische Stärke. Die russische Führung hat zur Abschreckung der NATO die seit 2008 größte Militärreform zum Wiederaufbau ihrer konventionellen Streitkräfte eingeleitet. Ein Grund dafür liegt in der konventionellen Kriegsführung mit der NATO nach der Aufnahme von Finnland und Schweden. Russland wird im Gleichklang mit der Militärreform der NATO gegenüber entschlossener und risikobereiter auftreten. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass sich der Ukraine-Krieg auf die russische Risikobereitschaft auswirken wird. Das ist anzunehmen, wenn ein eingefrorener Krieg Russland zur Verteidigung der besetzten Gebiete zwingt.
 
The use of military means, with which Russia is striving to put NATO to the test, cannot be ruled out. In the coming years, Russia is likely to provocatively challenge NATO member states, use military means of force and provoke individual NATO countries – and thus the alliance as a whole – after having quantitatively and qualitatively the necessary means, not only military equipment. It will be a showdown with NATO units in the Arctic, in the Baltic Sea and the Atlantic.
 
Bildnachweis: NATO
 
Nicht auszuschließen ist der Einsatz militärischer Mittel, mit dem Russland eine Belastungsprobe der NATO anstrebt. Russland wird voraussichtlich in den kommenden Jahren NATO-Mitgliedsstaaten provokativ herausfordern, militärische Gewaltmittel einsetzen und einzelne NATO-Länder – und damit das Bündnis insgesamt – reizen, nachdem es quantitativ und qualitativ über die notwendigen Mittel nicht nur der militärischen Ausrüstung verfügt. Zu einem Showdown wird es mit NATO-Einheiten in der Arktis, der Ostsee und im Nordatlantik kommen.
 
Russia is aiming for a troop strength of 1.5 million troops.

This is associated with a higher social position of the army, but also the militarization to consolidate the dictatorship of the siloviki in domestic politics.
 
Russland strebt eine Truppenstärkte von 1,5 Millionen Mann an. Damit verbunden ist eine gesellschaftlich höhere Stellung der Armee, aber auch die Militarisierung zur innenpolitischen Festigung der Diktatur der Siloviki...
 
ENDE - wird kontinuierlich beobachtet -
 
© Strategischer Dienst für Politische Analyse, 2024

 
 
INTERKONTINENTAL
2022/2023

http://www.auswaertiges-nfb.de/interkontinental/

 TRADITION

30 Jahre Arbeit in der Tradition der deutschen Abwehr

  http://www.auswaertiges-nfb.de/tradition/

  

 

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Im Auftrag Politisch Verantwortlich: Uwe Müller (Strasbourg/Leipzig)

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© Strategischer Dienst für Politische Analyse, 2024 

 

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